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From the magazine ZBl 6/2016 | S. 281-282 The following page is 281

Überholte Tabuzonen der Gerichtsberichterstattung und Urteilskritik

Die sonst eher zurückhaltende Neue Zürcher Zeitung beging vor kurzem bei der Kommentierung eines neuen Urteils des Bundesgerichts (BGE 141 II 411 vom 1. Dezember 2015) einen Tabubruch. Sie erwähnte nicht nur die Parteizugehörigkeit der fünf beteiligten Richter, sondern monierte, dass sich die dem linken Parteienspektrum angehörende Mehrheit (2 SP, 1 Grüne) bei der Beurteilung der Frage, ob der Primarlehrerberuf als frauentypisch zu gelten habe, nicht allein von rechtlichen, sondern auch von politischen Erwägungen habe leiten lassen (Nadine Jürgensen, Fragwürdige Stereotype, NZZ vom 2. Dezember 2015, S. 13). Den Richtern zu unterstellen, sie fällten ihre Urteile nicht allein nach rechtlichen, sondern auch nach politischen Gesichtspunkten, gilt in der Schweiz als verpönt. In einer solchen Kritik wird ein unstatthafter Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit gesehen. Gleichwohl ist diese Tabuisierung keineswegs naheliegend. So weist die neuere Lehre unablässig auf den engen…

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